
Unternehmerinnen und Unternehmer von heute erwarten von ihrer
Steuerkanzlei Mehrwerte wie Prozessberatung, Digitalisierung und
Inspiration. Wie dies gelingen kann, hat uns Digitalisierungsberater
Sebastian Haidn erzählt.
Der Key Account Manager, angestellt in der Kanzlei Dr. Schauer Steuerberater-Rechtsanwälte PartG mbB, hat 2022 die FAIT-Prüfung der Bundessteuerberaterkammer abgelegt. Dabei handelt es sich um den Abschluss der Fortbildung „Fachassistent*in Digitalisierung und IT-Prozesse“. Diese richtet sich primär an Steuerfachangestellte, jedoch auch an andere Mitarbeitende in Steuerkanzleien. Schließlich beschäftigen sich immer mehr Kanzleien und Steuerbüros mit der Erweiterung ihrer Geschäftsfelder. Die Digitalisierungsberatung als Zukunftschance steht dabei besonders im Fokus. Nicht selten kommen dafür Fachpersonen in die Steuerbranche, die zuvor in völlig anderen Branchen tätig waren. Auch Sebastian Haidn gehört dazu. Er arbeitete im Bereich Banken und Versicherungen und hatte mit Steuern kaum Berührungspunkte. Vor vier Jahren kam er erstmals mit der Welt der Steuerberatung und Digitalisierung in Kontakt. Dies habe ihn so sehr angefixt, dass er alles darüber wissen wollte. Seine Neugier treibt ihn an, so auch bei der Erlangung der Kenntnisse über die Digitalisierung.
Besagte Neugier half dem Fachmann insbesondere beim Einstieg. Um sich das viele neue Wissen anzueignen, hilft seiner Erfahrung nach eine gesunde Mischung aus Theorie und Praxis. So habe er sich im Zuge des Weiterbildungskurses Digitalisierungsberatung der hsp academy immer wieder mit den Coaches ausgetauscht. Das so erworbene Wissen hat er nicht selten am Folgetag direkt in laufenden Projekten eingesetzt. Die hohe Taktung und der ständige Wechsel haben dafür gesorgt, dass sich das Wissen sofort festigt. Kurzum empfiehlt Sebastian Haidn: „Nicht nur stur pauken, sondern unbedingt auch in die Anwendung gehen.“ Der Digitalisierungsberater rät Einsteiger:innen, sich zu Beginn kleinere Mandate und einfache Fälle vorzunehmen. Auch sollten alle Beteiligten Fehler einkalkulieren und diese nicht auf die Goldwaage legen. Fehler sind Erkenntnisse, die sowohl den Mandanten als auch die beratenden Personen weiterbringen. Zudem sind Fehler bei kleineren Projekten einfach zu korrigieren.
Digitalisierung geht nicht nebenbei
Einige Kanzleien gehen das Thema Digitalisierungsberatung vorsichtig an. Zu vorsichtig? Nicht selten werden Mitarbeitende angehalten, sich in das neue Thema einzuarbeiten – zusätzlich zum Tagesgeschäft. Eine Vorgehensweise, die nicht funktionieren kann. Aus gutem Grund arbeitet Sebastian Haidn in Vollzeit als Digitalisierungsberater. Einarbeitung, Fortbildungen, umfangreiche Projekte, skeptische Mandanten mit vielen Fragen, all das und noch viel mehr lässt sich unmöglich nebenbei erledigen. Nicht selten werden gleich mehrere Vollzeitkräfte benötigt. So bildet Sebastian Haidn mit zwei weiteren Kollegen ein Digitalisierungsteam.
Wie die Etablierung der Digitalisierungsberatung als zusätzliche Dienstleistung aussieht, zeigt die Zusammenarbeit mit einem langjährigen Mandanten der bayerischen Kanzlei. Viele Mandanten pflegen enge Beziehungen zu ihren Steuerberater:innen, so auch ein Apotheker zu Sebastian Haidn. In einem der zahlreichen Gespräche zwischen Mandanten und Berater wurde das Thema Digitalisierung angeschnitten. Der Fachmann skizzierte seinem Klienten am Telefon einige der Möglichkeiten, die das weite Feld der Digitalisierung bietet. Der Apotheker war gleich Feuer und Flamme, schließlich ärgerte er sich schon länger mit den analogen Prozessen und Medienbrüchen herum.
Mandanten warten auf digitale Hilfe
Berater und Mandant gingen gleich in die Umsetzung. Insgesamt dauerte das Digitalisierungsprojekt fast ein halbes Jahr. Zunächst erfasste der Berater die Voraussetzungen beim Mandanten, insbesondere die eingesetzte Software. Denn das Ziel lautete nicht, alles umzuwerfen und das Rad neu zu erfinden. Stattdessen sollten sich die digitalen Lösungen organisch in die Gegebenheiten vor Ort einfügen. Gemeinsam mit seinem Digitalisierungsteam schaute sich Sebastian Haidn die Finanz- und Lohnbuchhaltung an und identifizierte die Ansprüche. Auf der Basis der Analysephase wurde gemeinsam das ganze Projekt entwickelt. Nach und nach konnte die Buchhaltung des Mandanten nahezu vollständig automatisiert werden. Das Kanzleiteam erwartet, dass in wenigen Monaten die Voraussetzungen für Dunkelbuchungen geschaffen sind. Der Begriff bezeichnet einen vollständig automatisierten Buchungsprozess.
Für die Kanzlei bedeutet die Realisierung des Digitalisierungsprojekts weniger Buchhaltungsprojekte. Bedeutet dies einen Umsatzrückgang für die Kanzlei? Sebastian Haidn verneint. Seiner Erfahrung nach kann die Kanzlei die eingesparten Stunden für Beratungsprojekte und neue Mandate einsetzen. Unterm Strich wird also jede gesparte Stunde teurer verkauft. Zudem findet auf breiter Ebene eine Veränderung der Erwartungshaltung seitens Mandanten statt. Viele Mandanten wünschen sich eine digital denkende Kanzlei, mit der sie gemeinsam die unternehmerische Zukunft gestalten können. Mit einem Pendelordner locken Kanzleien heute niemanden mehr hinterm Ofen hervor.
Zur Wahrheit gehört, dass die Buchhaltung höchstwahrscheinlich in den kommenden Jahren vollständig automatisiert wird. Kanzleien werden auf Dienstleistungen setzen müssen, die nicht automatisiert werden können. Dafür braucht es Fachleute mit entsprechender Expertise. Sebastian Haidn ist sich sicher, dass Kanzleien jetzt damit beginnen müssen, ihre Weichen zu stellen. Und das nicht nur mit Personal aus dem Steuerumfeld. Kanzleien sollten aktiv Digital Natives aus allen Branchen anlocken. Dies erweitert den eigenen Kompetenzrahmen, inspiriert die Belegschaft und bringt Kanzlei und Mandanten spürbar voran.
